Tuesday, April 17, 2007

Es war einmal ein Mensch


Es war einmal ein Mensch; ein noch sehr junger Mensch – zart und anlehnungsbedürftig, sich nach Geborgenheit sehnend. Längst hatte er den dunklen, warmen Mutterbauch verlassen, doch trug er die Erinnerung daran noch in sich …diese heimatvolle Höhle, welche den Hinübergang in die grelle, harte, materielle Welt ermöglichen sollte, diese zärtliche Sanftheit …mit einem schrillen Schrei hatte er diese Heimat verlassen

… und nun, schon einige Jahre auf dieser Erde weilend, wartete er; er wartete wieder und wieder, sich nach der Wärme seiner einstigen Heimat sehnend. Seine Mutter, verstrickt in die Mühen und Pflichten des Alltags, hatte längst dieses Gefühl vergessen, welches sie einst diesem keimenden Leben gegenüber in ihrem Bauch empfunden hatte. Ein kleines Menschenwesen auf ein Leben auf diesem Planeten vorzubereiten, war keine einfache Aufgabe – zuviel Weichheit, Sanftheit und Zärtlichkeit wären da nur fehl am Platz gewesen ...

... und irgendwann hatte der Gewöhnungsprozess eingesetzt, und das Kind glaubte, verstanden zu haben. Wie die anderen durch Beobachtung und Nachahmung lernten, so beobachtete und ahmte es nun ebenso nach; allzu viel Zartgefühl, Erbarmen, Milde und Güte waren auf dieser Welt nicht gefragt, konnte es bald erkennen. Und der Gewöhnungsprozess schritt weiter fort …

… irgendwann erreichte dieser junge Mensch einen Zustand, den man „Erwachsensein“ nennt. Nicht an alles, doch an sehr vieles hatte er sich nun gewöhnt. Dazu gehörte auch, das Bitten und Klagen seines inneren Wesens immerfort zu überhören, und so geschah es, dass aus diesem zarten, kleinen Menschen ein großer Mensch wurde, voller Blockaden und Verhärtungen. Ein unsichtbarer Panzer umgab ihn nun, welcher ihn vor den Angriffen der Außenwelt schützen sollte – hart war dieser Panzer, und das Wesen dahinter wurde fast empfindungslos – das Sehnen aber blieb.


Sollte einmal ein solch feiner Strahl der Liebe diesen Panzer durchdrungen haben, war dieser Mensch in alarmbereitem Aufruhr, noch mehr galt es sich zu schützen, wo doch etwas in sein Inneres vorgedrungen war …

… irgend etwas erinnerte den nunmehr erwachsenen Menschen an seine Offenheit und Verletzlichkeit, welche er in seinen Kinderjahren besessen hatte, und irgend etwas erinnerte ihn an all das, wonach er sich seit Anbeginn gesehnt, es aber nie gefunden hatte … und so begann er sich zu rächen, vornehmlich an jenen Wesen, welche ihn an diese Gefühle erinnerten …

(Christine Götz, Malerin und Autorin)

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